EHRENPREIS
Agniezka Holland: Green Border
Unfassbar wie vielfältig die Perspektiven auf das Flüchtlingselend an der EU-Außengrenze geworfen werden - von den Fliehenden selbst, die in wenigen Tagen von Bürgerlichen zu völlig Ausgestoßenen werden, Grenzsoldaten, Aktivisten, alles kommt vor und zwingt schonungslos zum Nachdenken.
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Zusatz (Text Adrian)
Von vielen wird behauptet, sie seien Repräsentanten des Humanismus und europäischen Denkens. Aber auf niemanden trifft das so gut zu, wie auf Agniezka Holland – der Regisseurin, die in Polen groß wurde, nach Paris emigrierte, weil das Kriegsrecht in Polen das künstlerisch freie Leben unmöglich machte. Von dieser polnisch-französischen Identität aus, war 1982 ihre erste Regiearbeit in Frankreich ausgerechnet ein „deutscher Film“: „Bittere Ernte“ mit Armin Müller-Stahl als polnischem Eigenbrödler, der aus Eigensucht eine von der Deportation geflohene jüdische Frau versteckt, die von Elisabeth Trissenaar gespielt wird. Und bereits in diesem Drama verschwimmen klare moralische Grenzen, wird der Zuschauer gefordert, kann er es sich im Kinosessel nicht bequem machen. Auch der ihr Film „Hitlerjunge Salomon“ von 1991 war ein schwieriger Stoff. Dass er in Deutschland kontroverser diskutiert wurde und keine deutsche Oscarbewerbung erhielt, während er im europäischen Ausland sowie in den USA gefeiert wurde, ist ein weiterer Beweis, dass Agniezka Holland streitbar ist und Risiken eingeht.
Entscheidend für die Bedeutung Agniezka Hollands ist aber auch, dass sie nicht beim Rückblick auf Historisches stehen bleibt, sondern auch aktuelle ökologische und emanzipatorische Themen aufgreift wie im feministischen Ökothriller „Die Spur“. Ihr Eintritt für Frauen als tragende Säulen der Gesellschaft begründete sie 2017 u.a. so: „Frauen werden in einem gewissen Alter unsichtbar, nichtexistent und als geradezu störend empfunden. Wenn eine Frau ihre sexuelle Attraktivität verliert, wird sie zu einem Niemand. Die Menschen schauen sie an, aber sehen sie nicht. Wenn sie aber etwas tut, um bemerkt zu werden, löst sie Aggressionen aus.“ Dass in ihren Filmen schon früh auch homosexuelle Beziehungen verteidigt und als durch die Gesellschaft unlebbar gezeigt werden, ist ein weiterer Aspekt der unerschütterlichen Liberalität Hollands. In ihrem bisher letzten Großwerk „Green Border“ gelingt Agniezka Holland noch einmal etwas Großes: In nur gut zwei Stunden wird das gesamte grausame Drama der europäischen Flüchtlingspolitik aufgefächert – von den Fliehenden selbst, die in wenigen Tagen von Bürgerlichen zu völlig Ausgestoßenen werden, über die politisch instrumentalisierten und zur Unmenschlichkeit gezwungenen Grenzsoldaten, bis hin zu Aktivistinnen und Engagierten, die sich dem Wahnsinn der Unmenschlichkeit entgegenstellen und selbst dabei extrem viel riskieren. Eigentlich wäre „Green Border“ ein Pflichtfilm für alle Europäer, ehe man sich Urteile zum Thema Migration und Flucht erlaubt.
INTERNATIONALER REGIEPREIS
Jonathan Glazer: The Zone of Interest
Ein Film über den Alltag und die Durchschnitts-Täterpsyche im NS-Staat anhand des Ehepaars Höß. Christian Friedel spielt dabei den Auschwitzkommandanten.
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>>> Schauspielpreis: Christian Friedel
Martin Scorsese: Killers of the Flower Moon
Gerade im Kino: Die zynische Geschichte des Massenmordes an Osage Indianern aus Gier, als in deren Reservat Öl gefunden wurde und der Stamm kurzzeitig zum reichsten Volk der Erde wurde. Der Film ist mit Leonardo DiCaprio und Robert De Niro spitzenbesetzt. (Vgl: AZ Kritik)
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Matteo Garrone: Io Capitano
Seit Jahren brandaktuell: Der hervorragende Film zeigt die Geschichte zweier Cousins, die sich vom Senegal nach Europa durchschlagen und endet vor Sizilien. Internationaler Preis an Matteo Garrone (von ihm stammt auch die Savianoverfilmung "Gomorrha")?
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NATIONALER REGIEPREIS
İlker Çatak: Das Lehrerzimmer
Nicht umsonst deutscher Oscarbewerber. Unfassbar, wie hier alle alles versuchen richtig zu machen und eine katastrophale Abwärtsspirale in Gang setzen: Friedenspreiskandidat , weil es um Zivilcourage, Empathie und Gerechtigkeit geht...
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SCHAUSPIELERPREIS
Christian Friedel in The Zone of Interest
DEBÜTPREIS
SPEZIALPREIS
Steve McQueen: Occupied City
Umwerfend packender und ungewöhnlicher Dokumentarfilm über die Besetzung Amsterdams im Zweiten Weltkrieg und die Durchführung des Holocausts. Mit Steve McQueen hätte man einen Oscarpreisträger ("Hunger", "12 Years a Slave")
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